Die Tracht und ihre Stickereien
Diese Hosenbeine der MIEN* sind etwas sehr besonderes. Sie stammen aus Thailand und sind etwa 60 bis 80 Jahre alt. Die Mien in Thailand bilden eine homogene Gruppe. Sie sprechen alle den selben Dialekt, sie haben einen gemeinsamen Trachtenstil und folgen mit nur geringen regionalen Abweichungen den gleichen Traditionen. Da die Mien eine schriftliche Tradition besitzen, gelten sie neben den anderen Stammesgruppen als beispiellos. Sie verwenden chinesische Schriftzeichen, um ihre Rituale aufzuzeichnen und um Verträge und Briefe zu schreiben.*
Eine Rarität von besonderer Handwerkskunst
Abgesehen von den 5 Standardmustern können die Frauen beim Besticken ihrer Hosen große Individualität entfalten. Sie haben die Möglichkeit, auf ein Design aus dem großen Repertoire der Mien Muster zurückzugreifen oder können ein neues entwerfen. Viele Muster tragen einen Namen, wobei das gleiche Muster unterschiedlich benannt wird. Soweit es in Erfahrung zu bringen war, liegt den Musterungen keine mythische oder religiöse Bedeutung zugrunde. Für die Stickereien sitzen die Mien-Frauen auf niedrigen Stühlen und sticken reich verzierte Mützen für ihre Kinder und herrlich gemusterte Hosenbeine für sich selbst. Erstaunlicherweise sticken sie auf der Rückseite des Stoffes und können das Muster erst dann sehen, wenn sie den Stoff umdrehen. Die Tracht einer Mien Frau besteht aus lose sitzenden Hosen, einem knöchellangen Überkleid, einer Schärpe und einem Turban. Alle Kleidungsstücke sind schwarz oder indigoblau und aus Hand gesponnenem Baumwolltuch gefertigt.*
Was möchte daraus entstehen?
Durch einen glücklichen Zufall konnte ich eine kleine Anzahl solcher Hosenbeine und einen Turban für mein Atelier ankaufen. Das auf den Fotos zu sehende Hosenbein hat die Maße: ca. 50 × 73 cm, der Grundstoff ist blaugefärbte Baumwolle, die Stickerei kann ich, vom Material her, nicht genau bestimmen, ohne die Stickerei zu beschädigen. Vermutlich sind es gefärbte Baumwollgarne. Zurzeit überlege ich mir, in was für ein Modell, in was für einen Entwurf ich diese Hosenbeine integrieren kann. Erste Gedanken hierzu sind Westen, für Damen oder Herren, deren Front aus diesem wunderbar bestickten Hosenbeinen gestaltet ist. Das klingt spannend. Die nächste Herausforderung ist, wie der Schnitt für eine solche Weste sein soll, damit möglichst viel von der Stickerei bewahrt bleibt. Es bleibt immer etwas übrig, und was wird wohl daraus entstehen?
Fancy-Patch
Von einer lieben Freundin habe ich eine Kettelmaschine übernommen. Mit ihr werde ich demnächst anfangen, meinen geliebten Fancy-Patch umzusetzen. Fancy-Patch bedeutet, dass willkürlich kleine Stoffstücke zusammen gepatcht werden, um eine bestimmte Musterform, eine Wellenlinie, einen Kreis etc., auszufüllen. Diese Form wird dann als Element in Stoffe, z.B. für ein Kleidungsstück, für einen Kimono, für eine Decke … eingearbeitet. Für diese Fancy-Patches wird sicher das eine oder andere Teil der Stickereien eingearbeitet. Es ist für mich immer abenteuerlich, was die Auseinandersetzung mit einem solchen besonderen Textil an Ideen bei mir auslöst. Es ist quasi der Pulsschlag meiner Textilkunst.
Bleibt neugierig und lasst euch überraschen, was entstehen wird. Über Steady halte ich euch sofort auf dem Laufenden. Über meinen Blog informiere ich ca. vier Wochen später, darüber, wo sich die Dinge hin entwickeln wollen
Auf bald in meinem Atelier, entweder samstags von 10:30 Uhr bis 14:00 Uhr im Theaterlabor Traumgesicht auf dem Campus Golzheim, Georg-Glock-Straße 15, 40474 Düsseldorf oder Online oder per Telefon.
Auf bald Euer Gianni
Designer frohen Mutes
*Die ethnologischen Hintergründe zu dem Volk der Mien habe ich aus dem Buch zitiert:
Völker im Goldenen Dreieck
Von Paul und Elaine Lewis. Das Buch ist im Februar 1984 in der Edition Hansjörg Mayer in Stuttgart erschienen.